Geschichte

Die Geschichte des Legasthenie-Zentrums

Das Legasthenie-Zentrum Berlin e. V. wurde 1970 gegründet. Es entstand aus einem Projekt des Psychologischen Instituts der Freien Universität Berlin unter Leitung von Professor Dr. Siegfried Schubenz (1933 – 2007).

Das Nachdenken über Gesellschaft und Emanzipation zu dieser Zeit lenkte den Blick auch auf Kinder mit Lese- Rechtschreibschwierigkeiten. Mit der Morphemmethode hatte Siegfried Schubenz eine linguistisch und lerntheoretisch begründete Systematik entwickelt, um lese- rechtschreibschwachen Schülern Schriftsprachkompetenzen zu vermitteln und ihre Abschiebung auf Sonderschulen zu verhindern.

In der Praxis erwies sich jedoch die fehlende Motivation der Kinder oft als großes Hindernis. Therapiestunden endeten häufig in Lustlosigkeit, Chaos oder zerstörerischen Wutausbrüchen. Aus dieser Erfahrung heraus beschränkte sich die Arbeit im Legasthenie-Zentrum bald nicht mehr ausschließlich auf die Vermittlung der Schriftsprache. Stattdessen wurde die Einleitung und Veränderung von Lernprozessen zu einer neuen und vor allem psychotherapeutischen Aufgabe. Kinder- und jugendpsychotherapeutische Verfahren standen jedoch erst in Ansätzen zur Verfügung. Ein Experimentierfeld aus sozial-engagierter Praxis und kreativer Forschung entstand.

Seitdem entwickelten sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich des Schriftspracherwerbs und der Psychotherapie weiter - und das Legasthenie-Zentrum mit ihnen.

Heute belegen zahlreiche Studien den engen Zusammenhang von Lernstörungen und psychischen Störungen. Aus dem Verständnis von Lernen als Wirkungszusammenhang aus innerpsychischen, sozialen und pädagogischen Kreisprozessen entstand eine neue Therapieform - die Integrative Lerntherapie. Eine Rechenstörung wird heute ebenso ernst genommen wie eine Lese-Rechtschreibstörung. Durch die Neurowissenschaften verbessern sich das Verständnis der Lernprozesse und die Fördermöglichkeiten. Moderne diagnostische Verfahren helfen herauszufinden, warum ein Kind nicht lesen, schreiben oder rechnen lernen kann. Früherkennung und Prävention können Kindern mit Legasthenie und Dyskalkulie helfen, bevor sie die oft niederschmetternden Erfahrungen des Scheiterns erleben. Gute Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern verbessert die Wirkung und Nachhaltigkeit der Therapien.

Seit 50 Jahren tragen die therapeutischen Angebote des Legasthenie-Zentrums Berlin e. V. nun dazu bei, dass Kinder und Jugendliche mit Lern- und Leistungsstörungen gleiche Entwicklungschancen erhalten wie andere Kinder - und sich wie diese als Teil der Gesellschaft fühlen können.