Psychotherapie

In einer Psychotherapie werden die psychischen Störungen von Kindern und Jugendlichen  behandelt. Psychische Störungen können vorliegen, wenn ein Kind über längere Zeit in seinem Verhalten oder Erleben auffällig ist. Wirkt es etwa häufig traurig oder ängstlich? Leidet es unter unklaren Kopf- oder Bauchschmerzen oder nässt es ein? Traut es sich nichts zu oder zweifelt es an sich selber? Ist es verlegen oder schüchtern? Gibt es ständig Streit mit den Geschwistern? Führt die Erledigung häuslicher Aufgaben ständig zu Konflikten in der Familie? Ist es oft unruhig, unaufmerksam oder schnell aufbrausend? Wird es leicht wütend oder aggressiv? Zieht es sich zurück oder findet es keine Freunde?

Kinder mit Lern- und Leistungsstörungen leiden besonders häufig unter psychischen Störungen. Bis zu 60% sind davon betroffen. Bei Kindern mit einer LRS liegt bereits im Grundschulalter eine erhöhte Anzahl an negativen Gedanken, Traurigkeit, gedrückter Stimmung und schulbezogener Ängste vor. Sie erleben sich häufig alleingelassen, abgelehnt und zurückgewiesen. Lebensmüde Gedanken und Suizidversuche treten bei Jugendlichen mit einer LRS dreimal häufiger auf. Die Rate an depressiven Störungen ist doppelt so hoch. Angststörungen treten dreimal so häufig auf. (siehe Schulte-Körne, 2010)

Psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters lassen sich nur vor dem Hintergrund der unabgeschlossenen Entwicklung des Denkens, der Gefühle und der Identität junger Menschen verstehen.

Kinder lernen unentwegt und die dabei auftretenden Gefühle hinterlassen tiefe Spuren in ihrem Gedächtnis. Schwächen in der Motorik, der Wahrnehmung, dem Gedächtnis oder der Konzentrationsfähigkeit sowie ungünstige Lebensbedingungen können schon früh zu Erfahrungen des Scheiterns führen. Diese Erfahrungen beeinflussen was ein Kind antreibt und was es tut. Die Welt wird als unkontrollierbar erlebt. Misserfolge führen zu Unlust. Ungeliebte Tätigkeiten werden gemieden und dadurch auch nicht mehr gelernt. Scheitern löst Scham aus. Das Selbstwertgefühl ist verletzt. Das Verhalten wird widersprüchlich und unschlüssig. Das Kind ist unmotiviert. Erlebt es Druck oder Zwang sind Angst und Verweigerung die Folge. Eltern und Lehrer sorgen sich. Wichtige Beziehungen werden belastet. Den Kindern fällt es immer schwerer ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Sie neigen vermehrt zu negativen Gefühlen, können diese schlecht regulieren und erleben vermehrten Stress.

Ziele

Vorrangiges Ziel der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist es, die altersgemäße Entwicklung eines Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern. Eine drohende seelische Behinderung soll verhütet und dem Kind eine altersgemäße Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden.

Die einzelnen Behandlungselemente sollen die psychischen Probleme eines Kindes beseitigen. Eltern sollen bei der Gestaltung der familiären Beziehungen unterstützt und Lehrer bei der angemessenen Förderung beraten werden. 

Wie wirkt Psychotherapie?

Grundlage jeder Psychotherapie ist eine verlässliche therapeutische Beziehung, in der das Kind Wertschätzung sowie eine Förderung seiner Fähigkeiten und Ausdrucksmöglichkeiten erfährt. Dazu muss sich ein Kind in der Therapie verstanden und aufgehoben fühlen. Der Therapeut wird darum die positiven Seiten des Kindes wahrnehmen und es darin bestätigen. Er wird das Kind an der Gestaltung des therapeutischen Geschehens beteiligen und dafür sorgen, dass das Kind in der Therapie positive Gefühle erlebt. 

Abhängig vom Störungsbild kann eine Psychotherapie ganz unterschiedliche Interventionen beinhalten. Immer sollen jedoch mit Hilfe wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren die Kompetenzen des jungen Menschen erweitert werden. So soll er befähigt werden auf seine Wünsche, Ziele und Gefühle bezogene Konflikte zu klären. Er soll lernen wie er ungünstige Einstellungen aufgeben und belastende Verhaltensmuster verändern kann.

Bei Kindern mit Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben oder Rechnen werden dementsprechend die gestörten Lernbereiche in den psychotherapeutischen Prozess einbezogen. Deren Förderung orientiert sich am aktuellen Wissen über den Schriftsprach- oder Rechenerwerb. Dabei wird auf den individuellen Leistungsstand des Kindes eingegangen. Es bekommt nur Aufgaben gestellt, die es bewältigen kann. Erfolge beim Lesen, Schreiben oder Rechnen werden so sicher gestellt. Erfolge fördern die Lernmotivation. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit steigert die Leistungen und das emotionale Befinden. Die Stabilisierung des Selbstwertgefühls schafft die Basis, von der aus das Kind sich wieder dem Leben und seinen Anforderungen stellen kann.

Die emotionalen und sozialen Konflikte von Kindern aufzuarbeiten und sie zugleich im Lesen, Schreiben oder Rechnen zu fördern, ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Es gelingt nur in der Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern. Lernt ein Kind in der Therapie altersgemäße Anforderungen zu bewältigen und sich selbst sowie andere besser zu verstehen, wird es auch die vor dem Hintergrund einer Lernstörung oft entstehenden psychischen Störungen überwinden.

„Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung ist daher die Psychotherapie. Kindern mit Ängsten und depressiver Stimmung kann im Rahmen dieser Behandlung wesentlich geholfen werden.“
(Schulte-Körne, 2010)

Die Behandlung psychischer Störungen erfolgt durch Methoden der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie. Mit ihrer Hilfe lassen sich Auffälligkeiten mindern, Konflikte entschärfen und individuelle Entwicklungen fördern. Das Selbstwertgefühl zu stärken und das Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit wieder herzustellen ist der Schlüssel für die Verbesserung von Lernleistungen

 

LITERATUR

Schulte-Körne, G.: The prevention, diagnosis, and treatment of dyslexia. Dtsch. Ärztebl. Int. 2010; 107(41): 718–27.  DOI: 10.3238/arztebl.2010.0718

Grawe, Klaus: Neuropsychotherapie. Hogrefe 2004